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Gedanken von Pfarrer Alexander Felchle


1. März 2022

Ich schreibe diese Worte, während ich alle meine verfügbaren Kanäle alle paar Minuten
aktualisiere. Mein Herz pocht. Mir ist nach Weinen zumute. Denn wir haben wieder einen
groß angelegten Krieg in Europa. Und es schmerzt mich sehr, dass mein Heimatland Russland
sein Nachbarland, die Ukraine überfällt. Nicht einmal einen halben Tag hat es gebraucht, bis
die wichtigsten strategischen Punkte von den Invasoren überrannt waren.
Niemand war darauf richtig vorbereitet. All die schönen Worte und Phrasen und
Beschwichtigungen der Politik sind dahin und nichts mehr wert. So sehr haben wir uns den
Frieden auf Erden gewünscht. Eine Welt ohne Krieg, ohne Krankheit, ohne Armut, ohne Leid.
Nur leider blieb das nur ein Traum. Wir haben eine Welt geträumt, die der Realität nicht
standhält. Das Leiden haben wir uns lange vom Leib gehalten und träumten uns hinein in eine
strahlende Zukunft. Nun kam es anders. Wie bitter.
Dabei lehrt uns der Jahreskreis jedes Jahr aufs Neue: Das Leiden in dieser Welt kehrt immer
wieder bei den Menschen ein und konfrontiert uns mit den dunkelsten Stunden unseres
Lebens. Dem können wir nicht entfliehen.
In der Woche des Sonntags Estomihi (27. Februar) beginnt mit dem Aschermittwoch die
Fastenzeit. Die Fastenzeit ist eine besondere Zeit für uns Christen. Sie zeigt uns deutlich, dass
selbst Gott, uns offenbar geworden in Jesus Christus, in diesen Leidensweg einsteigt. Jesus,
als wahrer Mensch und wahrer Gott, beschreitet diesen finsteren Pfad der Menschheit. Er
versucht ihn nicht zu verlassen, er träumt ihn nicht weg, er schiebt ihn nicht zur Seite. Er geht
ihn bis zur Vollendung: „Seht, wir gehen hinauf nach Jerusalem, und es wird alles vollendet
werden, was geschrieben ist durch die Propheten von dem Menschensohn.“ Dieser Vers aus
dem Lukasevangelium 18, 31 läutet die Fasten- bzw. Passionszeit ein. Das Jerusalem steht
dabei für Leiden und Sterben, für Schmerz und Qualen eines Unschuldigen. Und doch steht es
am Ende auch für Hoffnung und Leben. Christus, gekreuzigt, gestorben und begraben kommt
wieder ins Leben in der Auferstehung aus dem Tode, eben in Jerusalem.
So bereitet uns die Fastenzeit auf das Osterfest vor, das höchste Fest der Christenheit. Die
Passionszeit macht uns die Leiden bewusst, lässt Raum ihnen nachzuspüren und zur
Äußerung zu bringen. Aber vor allem hält sie uns den Einen vor Augen, der durch die
Leiden zur Freude, durch den Tod zum Leben hindurchgeschritten ist: Jesus Christus. In
Jesus haben wir den Einen, der uns durch raue Wege führt und am Ende die Tür der Freude
auftut, die Pforte des Lebens aufschließt. Wer mit Jesus diesen Weg geht, schreitet am Ende
durch diese Tür. Wer kann uns aus dem Leiden erlösen? Hier ist Er, der Heiland der Welt,
die Hoffnung der Nationen. In der Bitterkeit und der Realität dieser Welt ist seine Hand so
nötig, wie lange nicht mehr. Auch für die Ukraine und den dort lebenden Menschen.
So möchte ich die Worte des alten Liedes zu meinem Gebet machen: „So nimm denn meine
Hände und führe mich. Bis an mein selig Ende und ewiglich. Ich mag allein nicht gehen, nicht
einen Schritt; Wo du wirst gehn und stehen, da nimm mich mit.“
Pfarrer Alexander Felchle
Rothenkirchen, Christus-Kirchspiel im Vogtland